Nachruf Aleš Veselý
im herbst 2015 fuhren aleš veselý und ich von prag nach roudnice – unterwegs haben wir einen kleinen umweg über theresienstadt (terezin) gemacht – aleš wollte mir seine letzte große arbeit zeigen, direkt vor dem theresener krematorium, gerade dort, wo die nazis die jüdischen häftlinge verbrannt hatten – auf einem hohlen kubus aus edelstahl lag ein riesiger granitbrocken – besser gesagt: die mehrere tonnen schwere masse aus dem sibirischen granit schwebte nahezu in der luft: dabei war die kubuskonstruktion aus edelstahl spiegelblank poliert, als ob der granitbote in der luft hinge – düster und schwer war seine botschaft – im museum versammelten sich an die fünfzig besucher – frau dr. potuckova – die museumsdi-rektorin – eröffnete die nachmitagsveranstaltung – aleš veselý und ich waren 1952 an die prager akademie der bildenden künste gekommen: die fünfziger-sechziger jahre waren politisch und kulturell die schwierigste zeit, die man sich vorstellen konnte – durch die kommunisten wurden viele ermordet oder gehängt (auch die frauen) – man dachte: diese faschistoide kulturpolitik würde auf vollen touren wieder laufen – an unserer hochschule waren die professoren zu der zeit verpflichtet, nur die propagandistische kunst zu unterrichten – zudem mussten sie sehr opportun sein: man durfte über die freie kunst nicht mal reden – so etwas zu tun war unmöglich – die thematischen aufgaben waren in der regel die gestalten mit optimistischem blick in die zukunft — soldaten, arbeiter, bauern selbstverständlich haben wir das nur kurz aushalten können – dennoch haben sich ein paar von uns – allem zum trotz – vorgenommen, nicht konform zu blei-ben später hat man zu hause – am anfang nur für sich – angefangen, die ersten veruche geheim zu unternehmen und so hat man gewagt, eigene werke im engsten freundeskreis zu zeigen – der weitere schritt war eine kleine atelier-ausstellung – und wenn auch das ohne folgen passieren würde (das alles war strengst verboten) – wollten wir eine gruppenausstellung organisieren – ebenso im atelier, wenn auch nur für ein paar stunden – da war aleš veselý immer dabei – in dieser zeit hat er abdrucke von verschiedenen fundstücken – die er zuvor deformiert und modifiziert hatte – gemacht; er hat dann die fundstücke zusammengeschweißt und in die neuen konstellationen zu objekten gestaltet – so sind seine stühle entstanden – in den sechziger jahren haben einige kollegen aus polen prag besucht und dann veranstalteten wir mit ihnen kleine ausstellungen – später kamen einige künstler und galeristen aus aller welt – einer von den ersten war der junge galerist christoph dürr aus münchen – er hatte schon 1964 eine ausstellung mit unseren skulp-turen, objekten und bildern in seiner münchner galerie gezeigt – in den siebziger jahren hat aleš veselý im bochumer museum von direktor dr. spielmann die möglichkeit bekommen, einige große metallobjekte zu realisieren – ab den achzigern arbeitete er vorwiegend zeichnerisch und auf einer modellebene: ihn beschäftigen die visionen von imaginären landschaften in israel – am rande von prag – in stredokluky – baute er die alte mühle zu einer atelieroase um – seine letzten arbeiten haben einen ganz abstrakten charakter – sie spiegeln die realität in einer defformierten form wider – große polierte edelstahlflächen stehen dem betrachter gegenüber, diese lassen ihn das ganze mithilfe ungewöhnlicher optik – zum teil als zitterndes bild –wahrnehmen, sodass der zuschauer aufgefordert wurde, die antwort auf die frage von alice in wunderland: was befindet sich hinter dem spiegel? – zu finden adieu aleš veselý! – jan koblasa |