Nachruf Aleš Veselý


Foto: Petr Lada

Foto: Petr Lada

Foto: Petr Lada

Foto: Petr Lada

im herbst 2015 fuhren aleš veselý und ich von prag nach roudnice –
wir sollten an einer öffentlichen besprechung im dortigen museum teilnehmen –
das thema war die fünfziger und sechziger jahre aus unserer sicht –

unterwegs haben wir einen kleinen umweg über theresienstadt (terezin) gemacht – aleš wollte mir seine letzte große arbeit zeigen, direkt vor dem theresener krematorium, gerade dort, wo die nazis die jüdischen häftlinge verbrannt hatten –

auf einem hohlen kubus aus edelstahl lag ein riesiger granitbrocken – besser gesagt: die mehrere tonnen schwere masse aus dem sibirischen granit schwebte nahezu in der luft: dabei war die kubuskonstruktion aus edelstahl spiegelblank poliert, als ob der granitbote in der luft hinge – düster und schwer war seine botschaft –

im museum versammelten sich an die fünfzig besucher – frau dr. potuckova – die museumsdi-rektorin – eröffnete die nachmitagsveranstaltung –

aleš veselý und ich waren 1952 an die prager akademie der bildenden künste gekommen:
aleš nach der prager graphischen mittelschule – ich nach dem abitur am teplitzer gymnasium –

die fünfziger-sechziger jahre waren politisch und kulturell die schwierigste zeit, die man sich vorstellen konnte – durch die kommunisten wurden viele ermordet oder gehängt (auch die frauen) – man dachte: diese faschistoide kulturpolitik würde auf vollen touren wieder laufen –

an unserer hochschule waren die professoren zu der zeit verpflichtet, nur die propagandistische kunst zu unterrichten – zudem mussten sie sehr opportun sein: man durfte über die freie kunst nicht mal reden – so etwas zu tun war unmöglich – die thematischen aufgaben waren in der regel die gestalten mit optimistischem blick in die zukunft — soldaten, arbeiter, bauern

selbstverständlich haben wir das nur kurz aushalten können –
einige von uns haben nach einer weile nachgedacht, was noch unter diesen umständen vernünftiges zu machen wäre – man wusste: das studium sollte bis zum abschluss gebracht werden – es existierte damals ein gesetz über die arbeitspflicht: ohne akademisches diplom durfte man nicht/kein künstler werden – so war die zukunft für uns für immer versperrt –

dennoch haben sich ein paar von uns – allem zum trotz – vorgenommen, nicht konform zu blei-ben

später hat man zu hause – am anfang nur für sich – angefangen, die ersten veruche geheim zu unternehmen

und so hat man gewagt, eigene werke im engsten freundeskreis zu zeigen – der weitere schritt war eine kleine atelier-ausstellung –

und wenn auch das ohne folgen passieren würde (das alles war strengst verboten) – wollten wir eine gruppenausstellung organisieren – ebenso im atelier, wenn auch nur für ein paar stunden – da war aleš veselý immer dabei –

in dieser zeit hat er abdrucke von verschiedenen fundstücken – die er zuvor deformiert und modifiziert hatte – gemacht; er hat dann die fundstücke zusammengeschweißt und in die neuen konstellationen zu objekten gestaltet – so sind seine stühle entstanden –

in den sechziger jahren haben einige kollegen aus polen prag besucht und dann veranstalteten wir mit ihnen kleine ausstellungen –

später kamen einige künstler und galeristen aus aller welt – einer von den ersten war der junge galerist christoph dürr aus münchen – er hatte schon 1964 eine ausstellung mit unseren skulp-turen, objekten und bildern in seiner münchner galerie gezeigt –

in den siebziger jahren hat aleš veselý im bochumer museum von direktor dr. spielmann die möglichkeit bekommen, einige große metallobjekte zu realisieren –

ab den achzigern arbeitete er vorwiegend zeichnerisch und auf einer modellebene: ihn beschäftigen die visionen von imaginären landschaften in israel –
er hatte bereits schon seinen professorentitel an der alten prager akademie der bildenden künste inne –

am rande von prag – in stredokluky – baute er die alte mühle zu einer atelieroase um –

seine letzten arbeiten haben einen ganz abstrakten charakter – sie spiegeln die realität in einer defformierten form wider – große polierte edelstahlflächen stehen dem betrachter gegenüber, diese lassen ihn das ganze mithilfe ungewöhnlicher optik – zum teil als zitterndes bild –wahrnehmen, sodass der zuschauer aufgefordert wurde, die antwort auf die frage von alice in wunderland: was befindet sich hinter dem spiegel? – zu finden

adieu aleš veselý! –
es war das letzte mal, dass wir uns begegnet sind: aleš veselý und ich beim erinnerungs- gespräch im museum der stadt roudnice –

jan koblasa