K-olours – Die verborgenen Farben Kiews
Fotoausstellung des ukrainischen Menschenrechtsaktivisten Stanislav Mischtschenko
Dauer der Ausstellung:
14. Januar bis 18. Januar 2014
Der Zufall hat ihn zum Aktivisten gemacht. Als er vor sieben Jahren nach Kiew zog und sich nach einem Job umsah, war im Schwulenzentrum eine Stelle frei. Man kannte sich, die Stellenbeschreibung passte. Stanislaw Mischtschenko stieg als Social Worker für die Gay Alliance ein, die das kleine Community-Center im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt betreibt. Inzwischen ist er Projektmanager der Schwesterorganisation Gay Alliance Ukraine; ihr Schwerpunkt liegt auf der politischen Arbeit. Lange hat sich der heute 32-jährige also um Schwule gekümmert, die Rat suchten. Er klärte auf in Sachen HIV, machte Gruppenarbeit mit jungen Männern, die sich vor sich selbst schämten und auf der Suche nach einer neuen Heimat waren.
Heute treibt er die Projekte der Gay Alliance Ukraine voran wie die Schwulenzeitung “Stonewall“, die sie neu auf den Markt gebracht haben und deren Chefredakteur er seit Kurzem ist. Seit 2012 kümmert Mischtschenko sich als International Secretary des KyivPride außerdem um die Kooperationspartner des Kiewer Christopher Street Day, die in ganz Europa sitzen, so in München. Auf dem Pride oder dem Christopher Street Day, wie Polit-Event das in Deutschland heißt, demonstrieren Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender jedes Jahr welzweit unter wechselndem Motto für gleiche Rechte und Akzeptanz.
Die Arbeit erfüllt ihn, auch wenn die Situation für Homosexuelle in der Ukraine seit Jahren nicht eben komfortabel ist. Das frustriert manchmal. “Trotzdem muss ja irgendjemand dafür sorgen, dass wie mit unseren Anliegen sichtbar werden.“
Von Beruf ist Mischtschenko eigentlich Manager of International Business. Wäre er in seiner Heimatstadt Kryvyy Rih geblieben, wo er 2002 dem Abschluss am Higher Institute for Business Adminis-tration gemacht hat, würde er heute noch als Sales-Manager sein Geld verdienen und Produkte listen, Personal schulen, Werbekampagnen konzipieren. Der Mann spricht fließend Englisch, Russisch und Ukrainisch. Spaß gemacht hat ihm die Aufgabe; “jetzt ist mein Leben einfach anders.“
Zuletzt hat der Ukrainer für eine Hochzeitsagentur gearbeitet. Be Loved hieß die und Stanislaw Mischtschenko war da – 2010 – schon geschieden. Von seiner Frau hat er sich mit Mitte 20 nach drei Jahren Ehe getrennt; lange genug hatte er sein Schwulsein ausgeblendet. “Ich wolltw mich nicht mehr verstecken“, sagt Mischtschenko. Der Liebe zu einem Mann wegen ist er nach Kiew gezogen. Sein Freund wart es auch, der ihn an die Gay Alliance vermittelte. Oleg Yerus arbeitet in der HIVPrävention. Zusammen wohnen die beiden in einer Vierer-WG im Osten der Stadt, jenseits des Dnjepr, fern von der Altstadt mit ihren malerischen Kirchen und Parks in einem Plattenbau der 60er.
Stanislaw Mischtschenko ist ein vielseitiger Mensch. Neben seiner Arbeit hat er immer schon Musik gemacht und lange als Keyboarder fü+r die Heavy-Metal-Band “Mournful Gust“ gespielt. Er zeichnet ein wenig, macht Graphik-Design. Das Leben habe vieles zu bieten, sagt er, und Menschen hätten ihn schon immer inspiriert. Oft ist er nach Feierabend stundenlang in der Innenstadt unterwegs, um Eindrücke zu sammeln.
Angst können ihm Menschen allerdings auch machen, manche wenigstens. Als 2012 die Gegner des KyivPride aufmarschierten, mit ihren Schlagringen, Knüppeln und Kreuzen, um die Parade aufzureiben, blieb Stanislaw Mischtschenko im Bus sitzen. Er sollte die internationalen Partner der Veranstaltung zur Demo bringen. “Doch ich hatte panische Angst“, sagt er. “Es war schrecklich. Die hatten Handschuhe an, damit sie sich beim Prügeln nicht mit HIV infizieren.“ Der Pride wurde abgesagt. 150 Teilnehmer gegen 750 Gegner – das war zu gefährlich. 2013 haben sie es geschafft. Der KyivPride hat – auch durch die Unterstützung aus München – stattgefunden. Ein historischer Sieg.
Trotzdem bleibt die Lage schwierig. In den zum Teil brutalen Auseinandersetzungen um die Zukunft des Landes haben die Europa-Gegner das Thema Gleichstellung immer wieder für ihre Zwecke missbraucht und homophobe Ressentiments bedient (“EU gleich Homo-Ehe“). Doch auch unter den Pro-Europäern gibt es viele, die sich ähnlich verhalten. “Wie müssen viel Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Mischtschenko, “Kultur ist ein Weg, Vorurteile abzubauen.“
Der Lomo-Photographie gehört Mischtschenkos Liebe erst seit Kurzem. In München, als der LGBT-Aktivist mit einer Delegation aus Kiew 2012 erstmals zum Christopher Street Day eingeladen war, hat er sich im Deutschen Museum eine Diana Mini gekauft. Diese Kamera, die in den 60ern zuletzt in Hong Kong hergestellt wurde, gibt es heute wieder in Österreich. Mit ihr hat der Ukrainer seine ersten Fotos geschossen; inzwischen besitzt er unzählige analoge Kameras. Doch wird die Fotographie ihn immer mit München verbinden; hier hat alles angefangen.