Konstanze Sailer – Memory Gaps

Aktuelle Ausstellung

Konstanze Sailer

Memory Gaps – Erinnerungslücken

Memory Gaps ::: Erinnerungslücken – die Kunst-Initiative des Gedenkens der deutsch-österreichischen Malerin Konstanze Sailer besitzt zwei Ebenen: eine realpolitische und eine historisch-politische Ebene, die mittels Tusche auf Papier erarbeitet werden. Tusche auf Papier wurde als Technik gewählt, um der „Filigranität von Flugblättern nahezukommen, die für Widerstandsgruppen gegen die Nationalsozialismus, wie etwa die Weiße Rose, das wichtigste Kommunikationsmittel waren. Tusche auf Papier erinnert an die „Papierfetzen, auf denen in Konzentrationslagern Kunstwerke entstanden.

Die realpolitische Ebene der Kunst-Aktion des Gedenkens:

Monat für Monat werden Ausstellungen in virtuellen Räumen eröffnet. Diese Galerien befinden sich ausnahmslos in Straßen oder an Plätzen Wiens, Berlins, Hamburgs, Münchens, Salzburgs und jenen zahlreicher anderer Städte, die es (noch) nicht gibt, die es jedoch geben sollte. Straßen mit Namen von Opfern der NS-Diktatur. Monat für Monat wird von Memory Gaps eine Erinnerungslücke geschlossen. Zusätzlich zu den vorgeschlagenen Straßennamen der Opfer werden auch Umbenennungen von Straßen angeregt: Von jenen Straßen und Plätzen, die heute noch Namen von Personen tragen, die im Naheverhältnis zum Nationalsozialismus standen. Jenen, die sich damals auf der „falschen Seite der Geschichte befanden, sollen ihre wissenschaftlichen, künstlerischen oder sonstigen Fähigkeiten und Lebensleistungen nicht abgesprochen werden. Sie standen nicht aufseiten der Millionen NS-Opfer, welche in den Konzentrationslagern jener Zeit ermordet, vergast oder durch Unterernährung bewusst getötet wurden. Sie waren vielfach Mitläufer in einem Unrechtsregime, doch Ehrungen durch Straßennamen
meinen immer den gesamten Menschen im Sinne gesellschaftlicher Vorbildwirkung.

Henriette Rothkirch (* 09.Dez. 1900 in München; † 31. März 1942 in der NS-Tötungsanstalt Bernburg / Saale) wurde am 24. Februar 1939 in Wien verhaftet, zunächst in das Konzentrationslager Lichtenburg und wenige Monate später in das KZ Ravensbrück deportiert. Die Haftgründe lauteten: „Jüdin“ und „politischer Widerstand“. Henriette Rothkirch wurde am 31.
März 1942 in der NS-Tötungsanstalt Bernburg an der Saale ermordet.

Bis zum heutigen Tag existiert in München keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Friedrich Hilble heute noch eine Straße im Münchner Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg benannt. Hilble war ein „äußerst pflichtgetreuer städtischer Beamter in München, der sich mutmaßlich in den 1930er-Jahre durch „uneingeschränkte Loyalität“ zum NS-Regime „höchst verdient“ gemacht hatte. Dass über 70 Jahre nach Kriegsende nach wie vor an Friedrich Hilble erinnert wird, indem man ihm die Ehre eines Straßennamens zuteilwerden lässt und diese Straße auch noch eine Kreuzung mit der Dachauer Straße bildet, kann Absicht, Versehen oder auch nur eine verwaltungstechnische Geschmacklosigkeit sein. Anstelle von Friedrich Hilble sollte künftig in Neuhausen-Nymphenburg an Henriette Rothkirch erinnert werden.

Ernst Tockus (*28. September 1936 in München; †1943 im Vernichtsungslager Auschwitz), war mit seiner Familie, wohnhaft am St.-Pauls-Platz 11/III, bereits 1938 nach Antwerpen geflohen. Ab Mai 1940 wurde Belgien von NS-Deutschland militärisch besetzt, die jüdische Familie wurde verhaftet und in der Kaserne Dossin, dem SS-Sammellager in Mechelen/Malines bei Brüssel festgesetzt. Von dort wurde Ernst Tockus gemeinsam mit seiner Mutter Grete und Schwester Ruth, am 15. Januar 1943, in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und vermutlich kurz nach seiner Ankunft – im Alter von sechs Jahren – ermordet.

Bis zum heutigen Tag existiert in München keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach der Lyrikerin Ina Seidel seit 1984 eine Straße, der Ina-Seidel-Bogen in München Bogenhausen benannt, ebenso wie Straßen und Wege in über drei Dutzend weiteren Städten und Orten Deutschlands. Seidel unterzeichnete 1933 nicht nur das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler, ihre Artikel und Gedichte während der NS-Diktatur zeugen von aufrichtigem „Führerglauben“ und sind voll von Huldigungen an Hitler. Anstelle von Ina Seidel sollte in München Bogenhausen künftig an Ernst Tockus erinnert werden.


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